Oliver Jünke
Selbstbestimmt leben mit ALS
Ich bin Oliver Jünke. Im Mai 2005, kurz vor meinem 38. Geburtstag, wurde bei mir ALS diagnostiziert. Begonnen hatte es Mitte 2004 mit Schwäche in den Beinen. Nun bin ich seit 2012 tracheotomiert, 24h am Tag beatmet, werde rund um die Uhr durch Pflegefachkräfte in meiner Wohnung in Berlin versorgt und kommuniziere ausschließlich über Mimik und mein Augenkommunikationsgerät mit der Umwelt. Ich lebe trotz ALS und den damit einhergehenden Veränderungen (m)ein selbstbestimmtes Leben! Ganz nach meinem Lebensmotto: „Das Leben ist doch schön!“
Auch mit PEG und invasiver Beatmung nehme ich aktiv am gesellschaftlichen Leben teil.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der Spagat zwischen Pflegebedürftigkeit und selbstbestimmtem Leben nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten gleichermaßen informiert und motiviert sind. Aus diesem Grund spreche ich andere ALS-Betroffene, deren Angehörige sowie alle Menschen, die ein privates oder berufliches Interesse an ALS haben an. Ich informiere, unterstütze und berate sie, um ihnen Versorgungsmöglichkeiten und Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben mit ALS aufzuzeigen.
Die Krankheit hat mir meine Sprache genommen, aber nicht meinen Geist!
Was macht dich sprachlos?
Gegenwärtig ärgere ich mich maßlos über den bestehenden Personalmangel in der Pflege. Wie lange wissen wir schon, dass es einen Pflegenotstand geben wird bzw. schon gibt. Während der Corona-Krise wurde dem Pflegepersonal fleißig Beifall geklatscht. Das Problem innerhalb der Pflege wurde endlich in der Öffentlichkeit wahrgenommen, aber geändert hat sich nichts!
Solange mit der Gesundheit von Menschen finanzieller Gewinn erzielt werden kann, wird sich an dieser Problematik auch nichts ändern. Da werden Stellen gestrichen, über Mindestlöhne gestritten, Tarifverträge werden verteufelt und unser Gesundheitsminister hat nichts weiter zu tun, als sich im Ausland nach billigen Pflegekräften umzusehen. Da brauchen wir uns nicht zu wundern, dass niemand den Beruf ausüben will. In der Pflege geht es schon lange nicht mehr um Akzeptanz und Wertschätzung, hier geht es nur um Geld. Und die Leidtragenden sind wir, die Pflegebedürftigen!
ALS-MOBIL e.V.
Wir als ALS-mobil e.V. haben es uns zur Aufgabe gemacht, dem ALS Betroffenen in der Öffentlichkeit und vor allem bei den Entscheidungsträgern, ein Gesicht zu geben, um mehr Beachtung für ihre Belange zu erreichen. Die Förderung der sozialen und – wenn körperlich noch möglich – der beruflichen Teilhabe ist uns ein zentrales Anliegen. Die Rahmenbedingungen für die Lebensbedingungen und vor allem die der Lebensqualität dürfen nach der Diagnosestellung nicht schlechter sein als vor der Diagnose.
Aber auch jeder Betroffene selbst kann seinen Beitrag zur eigenen Krankheitsverarbeitung und -bewältigung beitragen. Unser Bestreben liegt darin, als „Experten in eigener Sache“ für andere da zu sein. Wir wissen doch am besten – auch besser als viele Fachleute – was es heißt mit der Krankheit zu leben. Unser Motto lautet „von Betroffenen für Betroffene“. Wir haben unsere eigenen Erfahrungen gemacht. Wir haben unsere Kompetenzen selbst erlebt und erlitten. Innerhalb unseres Vereins werden erlebte Erfahrungen zusammengetragen und miteinander verbunden, so dass wir die gemachten Schlussfolgerungen an unsere Mitglieder und alle Interessierten weitergeben können.
Wo steht die Pflege momentan?
Kurz gesagt hat doch die Pflege das Ziel, die Lebensqualität von Menschen mit Pflegebedarf zu erhalten bzw. zu fördern. Durch den bestehenden permanenten Personalmangel und den Vorgaben der Pflege- und Krankenkassen, in Bezug der Einsatzmöglichkeiten von Personal (besonders in der Intensivpflege), sind die in der Pflege tätigen besonders gefordert, um nicht zu sagen überfordert. Ständige Überstunden, zusätzliche Dienste und das Holen aus dem Frei, gehören zum Alltag einer Pflegekraft. Diese Überforderung (bei schlechter Entlohnung) kann auf die Dauer nicht gut gehen. Immer wieder wird versucht die Pflegebranche als Betrüger darzustellen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern.
Wir sollten endlich begreifen, dass es bei der Pflege um (mit-)menschliche Werte geht und um Dinge, die es für Geld nicht zu kaufen gibt.
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