Anja Clement
Vorstand von ALS mobil e.V.
Nun lebe ich bereits 20 Jahre mit der Erkrankung ALS. Viele Dinge wie Radfahren, Wandern, Schwimmen sind nicht mehr möglich. Doch ich führe weiterhin ein erfülltes, selbstbestimmtes Leben. Habe neue Freunde gefunden und Freunde, die mir vor meiner Erkrankung wichtig waren, sind mir treu geblieben. Ich wohne mit meiner Familie zusammen in Sachsen-Anhalt. Durch ein persönliches Budget organisiere ich meine Pflege selbst.
Durch meinen sehr langsamen Verlauf der Erkrankung kann ich auch in politischen Gremien wie zum Beispiel dem Behindertenbeirat Sachsen-Anhalt mitarbeiten. Zusammen mit Oliver Jünke bin ich im Vorstand des ALS-mobil e.V. Es macht mich sehr glücklich, anderen Betroffenen bei der Bewältigung dieser umfassenden Erkrankung zur Seite stehen zu können.
Als Architektin schlägt mein Herz auch für die bauliche Barrierefreiheit. Irgendwie sehe ich meine Umwelt mit völlig neuen Augen. Merke, wie gut Barrierefreiheit allen Menschen tut. Einfach sich in andere Menschen hinzuversetzen, Ihnen Mitgefühl und Fürsorge angedeihen zu lassen, ist wohl das wichtigste im Leben.
Was macht dich sprachlos?
Was macht mich sprachlos. Politik, die am Menschen vorbei geht und die den Lobbyisten in die Hände spielt. Verwaltungen, die Probleme schaffen anstatt Wege zu suchen, um Menschen zu unterstützen und ihnen Hilfe zu ermöglichen, die ihnen sogar gesetzlich zusteht. Ich kann nicht ertragen, dass unsere Betroffenen, in welcher Wohnform auch immer, dahinvegetieren zu sehen. Ausgeliefert der Willkür ihres Umfeldes.
Was macht mir Hoffnung, was macht mich glücklich. Immer wieder lerne ich Menschen kennen, die für andere da sind, die sich engagieren. Mich macht sehr glücklich, dass eine starke Gemeinschaft es geschafft hat, das RISG abzuwenden und einige menschenverachtende Inhalte zu eliminieren. Für mich ist das gelebte Demokratie. Hoffen wir, dass alles gut wird und das GKV- IPReG nicht noch mehr Belastung und Probleme für die schwerstbetroffenen Menschen und ihr soziales Umfeld bringt.
Wo steht die Gesundheitsversorgung momentan?
Unser Gesundheitswesen ist eigentlich sehr gut aufgestellt. Gerade für uns schwer betroffene Menschen bieten sich viele Möglichkeiten, die es in anderen Ländern nicht gibt. Darüber bin ich wirklich dankbar. Doch erlebe ich in den 20 Jahren meiner Erkrankung zunehmend mehr Kommerzialisierung der medizinischen Versorgung, mehr Inkompetenz bei der Hilfsmittelversorgung, sinkende Qualität der Heilmittelerbringer, sinkende Qualität in der Pflege. Die Bürokratie wird immer erbarmungsloser für uns Betroffene aber auch für die Ärzte und Therapeuten.
Ständig wechselnde Ansprechpartner bei den Kostenträgern machen uns Betroffenen das Leben schwer. Ein Schelm, der Böses dabei denkt… . Unser Gesundheitssystem kann meiner Meinung nur funktionieren, wenn alle Menschen in die Solidargemeinschaft der Rentenversicherung und der Krankenversicherung einzahlen. Unser Gesundheitswesen kann langfristig nur funktionieren, wenn die Gewinne, die erzielt werden, nicht in die Taschen großer Konzerne fließen, wenn es nicht darauf ankommt, einen möglichst hohen Profit mit der Krankheit der Menschen zu erzielen.
Mehr über Anja Clement auf: als-mobil.de