Andrea Linder
Beruflich und persönlich angekommen
Schon als ich ein kleines Mädchen war, wollte ich schreiben. Und tatsächlich – nach einigen Umwegen – konnte ich zum Beruf machen, was ich so sehr liebe. Den Umgang mit Sprache. Das es dann in den Bereich „Medizin“ im weitesten Sinne ging, war ein – wenngleich auch glücklicher – Zufall. Über die Gesundheitsseiten einiger Yellow Press-Formate und eine Zeitschrift für allgemeine Gesundheitsthemen landete ich vor über zehn Jahren in der Redaktion der Fachzeitschrift beatmetleben. Mir eröffnete sich eine völlig neue Welt. Eine Welt, die mich in großes Erstaunen versetzte. Ahnte ich ja noch nicht einmal, was medizinisch, pflegerisch und technisch alles möglich ist. Ich betrat aber auch eine Welt, die mich sprachlos vor Bewunderung machte; Bewunderung für all die, die mit außerklinischer Intensivpflege leben und arbeiten – Betroffene, Angehörige, engagierte Pflegefachkräfte, Therapeuten oder Mediziner. Die Arbeit an der beatmetleben und der Kontakt zu all den Menschen, die nun zu meinem beruflichen und mittlerweile auch privaten Alltag gehören, all das hat mir einen Horizont eröffnet, den ich so nicht erwartet hatte. Mir sind so viele feine Menschen begegnet; ich durfte und darf so viele Ansichten und Einsichten erfahren, die mich nicht nur beruflich, sondern vor allem auch persönlich immer weiterbringen. Teil dieses außergewöhnlichen Bereiches unseres Gesundheitswesens – der außerklinischen Intensivpflege – sein zu dürfen und den verschiedensten Protagonisten dieser Nische hilfreich zur Seite stehen zu können, erfüllt mich mit viel Stolz. Mir scheint, hier habe ich beruflich eine Heimat gefunden.
Sprachlos am Computer sitzen …
… ist natürlich nicht so gut für eine Redakteurin. Und doch bleibt es nicht aus, dass es mir vor Wut, Unverständnis, aber auch vor Freude die Sprache verschlägt. Nur kurz allerdings. So geschehen zum Beispiel am 14. August 2019, als der erste Referentenentwurf Jens Spahns mit dem Namen RISG auf meinem Schreibtisch landete. Da blieben mir tatsächlich mal eben vor Entrüstung die Worte weg. Rund um RISG und IPReG war das dann öfter mal der Fall. Auch im Übrigen vor Bewunderung, denn der Tsunami an Protest, der sich hieraus entwickelte, war kaum zu fassen. Ich glaube ja, weder der damalige sogenannte Bundesgesundheitsminister noch sonst irgendjemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, welche Welle des Widerstands dieser Entwurf – und alle, die danach kamen, – nach sich ziehen würde.
Nix is fix
Schwierige Situationen annehmen, sie als Herausforderung betrachten, so versuche ich durch die Untiefen des Alltags zu schippern. Das gelingt mal besser und mal schlechter. Meine Familie, meine engen Freunde begleiten mich – und ertragen mich dankenswerterweise – auch dann, wenn das Leben mal nicht so rund läuft, wie ich es mir wünschen würde. Tröstlich empfinde ich den Gedanken, dass nix fix ist. Alles geht vorüber, alles ist im Wandel.
Wir müssen zuhören
Was technisch heute alles möglich ist, gerade im medizinischen und pflegerischen Bereich, versetzt mich immer noch in Erstaunen. Die Zukunft wird auch hier immer digitaler. Televisiten, Videosprechstunden, Augensteuerung, Unterstützte Kommunikation – all das ist toll. Was doch aber bitte nicht auf der Strecke bleiben darf, ist das Miteinander. Das Wahrnehmen des anderen – ganz analog. Wir müssen wieder lernen, besser zuzuhören. Ganz allgemein. Sei es zu Hause am Esstisch, im Büro oder eben auch im Bereich der Gesundheitsversorgung. Ärzte müssen über ihren diagnostischen Tellerrand hinausschauen, Pflegefachkräfte bei allem Notstand ein offenes Ohr für den Betroffenen haben und der Patient verstehen, dass die Krankenkassenkarte allein kein Garant für sofortige Interventionen bei jedem noch so kleinen Wehwehchen ist. Ein bisschen mehr Verständnis von allen Seiten für alle Seiten würde vielleicht auch für ein Gesundheitssystem auf etwas mehr Augenhöhe sorgen.
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