Laura Mench ist…
© Pierre Steinhauer
Laura Mench: „Selbstbestimmung ist das höchste Gut! Ich führe mein Leben selbstbestimmt mit persönlicher Assistenz – ungeachtet der gesundheitlichen Einschränkungen. Meine Assistenzkräfte gleichen alles aus, was ich nicht oder nicht mehr kann. Dennoch obliegt jede Entscheidung mir. Beruflich bin ich vielseitig unterwegs. Ich schreibe Texte, informiere über Inklusion und selbstbestimmte Lebensformen und habe auch einige Ehrenämter. Unter anderem bei Frag-Oskar.de (ein Projekt des Bundesverband Kinderhospiz e.V.) und bei der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke im Berliner Landesverband.
Nebenbei bin ich auch Bloggerin. Meinen Blog „Projekt Leben“ (www.projektlebenaktiv.com) habe ich vor 3 Jahren eröffnet. Er entstand, weil ich bei der Recherche, wie ich ein selbstbestimmtes Leben führen kann, unheimlich viele Fachartikel aber nur wenige Erfahrungsberichte, Hinweise und Tipps fand. So habe ich das Problem beim Schopf gepackt, um meiner selbstverständlich auch nur subjektiven Sicht auf persönliche Assistenz, selbstbestimmtes Leben und Inklusion eine Bühne zu verschaffen. Wenn ich nicht gerade irgendetwas schreibe, meinen Assistenzkräften Aufgaben gebe oder Telefonate mit Behörden führe, spiele ich gerne Gesellschaftsspiele am Computer, bin auf dem Hundeplatz zu finden oder mache mich ganz nebenbei über ableistische Strukturen in unserer Gesellschaft lustig.“
„Sprachlos macht mich nichts, denn zu meiner Ausbildung gehörte auch Radio- und TV-Moderation. Um das zu schaffen, müsstet ihr mich schon mächtig verkloppen. Was mich aber regelmäßig auf die Palme bringt, sind Strukturen im deutschen Verwaltungssystem, die der selbstbestimmten Lebensform mit persönlicher Assistenz im Arbeitgebermodell oftmals entgegenstehen. Dazu zählt nicht nur, dass Kostenträger dazu neigen, Gelder einzusparen, wo dies nur irgendwie möglich ist, sondern auch dass es immer noch für viele Institutionen, aber auch für Privatpersonen völlig unnormal ist, wenn ich nicht mit meiner Mutter, sondern mit einer persönlichen Assistenz unterwegs bin.
Mensch möchte es sicherlich nicht glauben, aber eine der häufigsten Fragen, die ich höre, wenn ich mich außerhalb meiner Wohnung bewege, ist die Frage, ob eine Begleitung meine Mutter sei. Dazu zählt zum Beispiel auch eine Bemerkung, die darauf abzielt, dass meine Begleitung viel zu jung ist, um meine Mutter zu sein. Mir persönlich ist es egal, mit wem ich unterwegs bin. Die Hauptsache für mich ist, dass ich ankomme, und dass ich selbstbestimmt entscheiden kann, was ich tue und lasse. Für mich ist es unverständlich, dass andere Menschen immer wissen wollen, in welcher Beziehung meine Begleitung zu mir steht. Auf den Eintrittspreis oder den Umgang mit mir hat das keinen Einfluss.“
„Was mich auch sprachlos macht ist, dass es in der Politik wohl auch immer noch nicht üblich ist, Menschen, die ’nicht der Norm entsprechen‘ in der Gesetzgebung zu berücksichtigen. Stattdessen werden zum Beispiel Menschen mit Intensivpflegebedarf durch das neue Gesetz – GKV-IPReG – strukturell benachteiligt. Ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Beatmung wird dadurch infrage gestellt und in Zukunft deutlich erschwert werden.
Für mich – ich werden aktuell noch nicht invasiv mit Maske beatmet – stellt dieses Gesetz eine grauenhafte Perspektive dar. In Zukunft werde ich mich darauf einstellen müssen, auch eine invasive Beatmung zu benötigen. Aber deshalb werde ich unter keinen Umständen mein selbstbestimmtes Leben aufgeben. Selbst dann nicht, wenn ich das ganze vor Gericht durchsetzen müsste.
In letzter Zeit haben mich viele Menschen mit Behinderung, teils auch mit Beatmung, gefragt, was sie unbedingt benötigen, wenn sie jetzt in ein selbstbestimmtes Leben starten. Meine Antwort lautet aktuell: eine sehr gute und tolerante Rechtsschutzversicherung!“
„Mein Hund bedeutet für mich, dass mein Tag einen zusätzlichen Rahmen bekommt. Die Corona-Pandemie, in Kombination mit der Unklarheit durch den Gesetzentwurf GKV-IPReG hat mich in eine heftige Isolation getrieben. Da ich noch nicht dazu bereit bin, die Erde zu verlassen, habe ich mich (während der Corona-Pandemie) vollständig isoliert, abgesehen von meinen Assistenzkräften. Dieser Zustand hat mir nicht gut getan. Grundlos wollte ich jedoch meine sichere Wohnung auch nicht verlassen. Es war schon immer ein Traum von mir, einen eigenen Hund zu haben und es schien mir die richtige Zeit zu sein. Ich war und bin bis heute viel zu Hause, habe Zeit und kann mich gemeinsam mit meinen Assistenzkräften um das Tier kümmern. Mein Hund ist der Grund, die Wohnung zu verlassen. Ich habe erkannt, dass ich mich nicht anstecken werde, nur weil ich raus gehe, rational wusste ich natürlich, wenn man jedoch in einer mentalen Schleife gefangen ist, erkennt man dies manchmal nicht mehr. Mein Hund hat mir geholfen, diese wieder aufzubrechen.“
Laura Mench: „Ich glaube, es gibt kein Patentrezept dafür, dass die Pflege für Pflegefachpersonen gleichwertig besser wird, wie für die Klientinnen und Klienten. Wir haben ein großes, systematisches Problem. Ähnlich wie bei einem Haus, das vollständig baufällig und sanierungsbedürftig ist. Mensch weiß nicht, wo Mensch anfangen soll. Traumhaft wäre jedoch, wenn das Ergebnis für alle Klientinnen und Klienten außerhalb der Klinik, ebenso wie in der stationären Versorgung die maximale Selbstbestimmung und die allerbeste Versorgung gewährleisten würde. Für das Personal wäre es traumhaft, wenn durch faire Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen und familienfreundliche Arbeitsverhältnisse der Beruf mehr Ansehen gewinnen würde, als nur das Klischee ’streicheln und Hintern abwischen‘.
Das Allerwichtigste ist jedoch vorerst die Erkenntnis, dass das GKV-IPReG das Problem in der Pflege nicht lösen wird. Ich denke, dass das Gesetz viele Menschen zusätzlich in die stationäre Versorgung und dadurch zum Teil auch in Lebensgefahr bringen wird. Der gemeine Leser wird jetzt denken, dass eine Einrichtung ‚ein geschützter Raum‘ ist. Mitnichten, nicht zuletzt durch die Morde im Oberlinhaus in Potsdam haben wir gesehen, wie schnell Überlastung des Personals in heftige Gewalt und sogar in Mord umschlagen kann. Außerdem bedeutet es für die Klientinnen und Klienten in der stationären Versorgung eine große Einschränkung ihrer Selbstbestimmung, wenn sie sich eine Pflegefachkraft mit 7 anderen Leuten teilen müssen.
Nicht nur, dass es dann unmöglich ist, spontan in die Stadt zu fahren, sondern auch das spontane Bedarfe, wie Absaugen nicht zeitnah durchgeführt werden können. Dies führt im schlimmsten Fall zu Atemnot und im krassen Fall sogar zum Tod durch Ersticken. Für die Klientinnen und Klienten darf und kann das nicht der Standard sein. Die häusliche Versorgung muss nicht nur aus Gründen der UN-Behindertenrechtskonvention, sondern auch zum Schutz der Betroffenen gestärkt werden und nicht beschnitten.“
Laura Mench: „Es gibt nicht nur Dinge, die der Gesetzgeber regeln könnte, sondern auch das Pflegefachpersonal selbst. Immer wieder höre und lese ich von Fällen, bei denen die eigene Profession, eigene Erfahrungen und der eigene Komfort über die Selbstbestimmung der Betroffenen hinweg angewendet werden. Selbstverständlich ist eine Pflegefachkraft bestens ausgebildet, trotzdem ist sie nicht die betroffene Person und sollte deshalb die individuellen Wünsche zur Versorgung berücksichtigen. Die eigene Erfahrung beratend einsetzen, ist immer zielführend und oftmals als Gebinde für den Betroffenen zu sehen. Trotzdem macht jeder Mensch, der lange mit einer bestimmten, medizinischen Versorgung lebt auch eigene Erfahrungen und weiß, was für ihn/sie gut ist und was nicht.“
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© Pierre Steinhauer