Dinah Radtke
Wegbereiterin
Mein Name ist Dinah Radtke. In einer Werbeaktion wurde ich einmal die „Wegbereiterin“genannt. Das hat mir geschmeichelt, trifft es aber auch ganz gut. Aber eigentlich bezeichne ich mich als Behindertenrechtsaktivistin. Denn ich habe schon immer für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen, ganz besonders aber für behinderte Frauen gekämpft.
Ich habe auch einige Vereine mitbegründet z. B. das „Zentrum für selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V.“ in Erlangen und die Dachorganisation der ZSLs, die „Interessenvertretung selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V.“ aber auch den Bundesverband behinderter Frauen „Weibernetz e.V.“ bzw. das „Bundesnetzwerk von FrauenLesben und Mädchen mit Beeinträchtigung“ und andere. Außerdem bin ich seit über 30 Jahren in verschiedenen Funktionen bei dem Weltverband „Disabled Peoples International“ aktiv. Als stellvertretende Vorsitzende von DPI war ich auch bei den Verhandlungen zur Behindertenrechtskonvention dabei und habe zusammen mit anderen Frauen für den Artikel 6 über behinderte Frauen gekämpft.
Ich habe 25 Jahre im ZSL Erlangen gearbeitet und davon 20 Jahre die Beratungsstelle geleitet. Jetzt bin ich schon fast 10 Jahre in Rente, doch durch meine vielen Kontakte, bin ich auch immer noch ganz gut beschäftigt und das ist auch gut so.
Im Moment bin ich u.a. Vorsitzende des Seniorenbeirats der Stadt Erlangen.
Aber damit ich mir nicht zu viel aufbürde, habe ich zur Entspannung, meine Hündin Elina.
Was gibst du weiter?
In Erlangen wird gerade ein Erinnerungs-und Zukunftsort für die von den Nationalsozialisten ermordeten psychisch Beeinträchtigten und behinderten Menschen geplant. Für mich ist es wichtig, die Stadtgesellschaft darauf aufmerksam zu machen, dass der Bezug von der Vergangenheit zur Gegenwart nicht vergessen werden darf. Auch heute sind Menschen mit Behinderungen nicht unbedingt willkommen in unserer Gesellschaft, das sieht man z.B. unter anderem an der Selektion durch den Bluttest auf Trisomie 21 und an dem ärztlich assistierten Suizid, der jetzt erlaubt ist und der meiner Meinung nach Druck auf ältere und behinderte Menschen machen wird früher aus dem Leben zu scheiden.
Worüber ärgerst du dich enorm?
Ich ärgere mich maßlos über die Scheinheiligkeit mit der Inklusion propagiert wird. Einerseits spricht man von gleichberechtigter Teilhabe am Leben in der Gesellschaft andererseits werden die Bedingungen für ein selbstbestimmtes Leben immer schwieriger, das sieht man z. B. an neuer Gesetzgebung, wie dem IPReG, oder dass immer weiter Sondereinrichtungen gebaut werden. Geltendes Recht, das Behindertenrechtskonvention und Grundgesetz vorgibt, wird damit verletzt.
Was erfüllt dich mit besonders viel Glück?
Das können ganz einfache Dinge sein, wie z. B. die ersten Schneeglöckchen, oder ein Storch, der über das Nachbarhaus fliegt, oder eine gelungene Veranstaltung, die ich organisiert habe und vieles mehr.
Was hilft, wenn alles schief läuft?
Erst mal Ablenkung, beruhigen, ein Hundespaziergang, nichts übereilen, sich mit Freundinnen beraten und mit der Familie, Zuversicht bewahren!
Wo steht die Gesundheitsversorgung momentan?
Die außerklinische Gesundheitsversorgung wird immer komplizierter und es wird immer schwieriger die Versorgung durchzusetzen. Doch die Bedarfe und die Bedürfnisse von Menschen mit AKI ein selbstbestimmtes Leben zu führen müssen gedeckt werden. Es gibt einen Rechtsanspruch laut Grundgesetz und Behindertenrechtskonvention, dafür müssen wir kämpfen!
Welche Dinge müsste man zügig angehen?
Man müßte zügig Rechtssicherheit schaffen. Menschen mit Beatmung sind gegenwärtig völlig verunsichert über ihre Situation. Sie wissen nicht genau wie es weiter geht, ob sie wie bisher in der eigenen Häuslichkeit mit den vertrauten Personen leben können oder ob sie gezwungen sind in eine Einrichtung zu ziehen. Das hat bei vielen Angstzustände, Panikattacken und Depressionen zur Folge. Deswegen ist die Verbindung von Menschen mit Versorgungsbedarfen, An- und Zugehörigen und dem Behandlungsteam/Helfern/Ärzten ganz wichtig zur gegenseitigen Unterstützung und zum Mut machen für künftige Perspektiven.