Brigitte Wildberger
Wie ich die wurde, die ich bin
Geprägt durch einen Unfall mit 10 Jahren, bei dem ich beim Überqueren eines Bahnübergangs mit dem Fahrrad von der Bahn erfasst wurde, hatte ich immer den Wunsch als Ergotherapeutin Menschen zu helfen. Doch diese Ausbildung konnte man erst mit 18 Jahren starten. Also bewarb ich mich auf einem beruflichen Gymnasium und jobbte nebenher im Altersheim. In der 12. Klasse wurde ich zur Schülersprecherin gewählt und fand mehr Freude daran Projekte zu starten: Von Schulhofverschönerung, Schülerzeitung, Foto-Ag, Schulpartys und Schulfesten war alles dabei. Förderlich für meine Schulnoten war das nicht wirklich und die Klasse wiederholen wollte ich auch nicht. Also startete ich meine Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin. Während der Ausbildung wurde mir bewusst, dass im Pflegesystem einiges zu verändern wäre, damit sich die Menschen in der Pflege, Patienten, wie Mitarbeiter wohl fühlen. So startete ich eine Weiterbildung zur Leitung einer Funktionseinheit inklusive Praxisanleiterin. Schnell bemerkte ich, dass es nicht meinem Naturell entspricht, einfach zu erledigen, was man mir aufträgt und mir solche engen Strukturen nicht liegen. Durch einen Zufall landete ich schließlich in der Heimbeatmung und ich erinnere mich gerne an die Anfänge, wo es mich ganz schwindelig machte, soviel Kabelsalat immer um mich herum zu haben, der entwirrt werden musste.
Die Herausforderung jedes Anfängers in der Heimbeatmung liegt vor allem darin zu erkennen, dass mehr als die Hälfte aller Szenarien, die man sich zusammen dichtet, niemals eintreten werden. Deshalb ist es mir immer wichtig in der Einarbeitung den Mitarbeitern den Zahn zu ziehen. Ihnen Handlungsmöglichkeiten für alle möglichen Dramen mit auf den Weg zu geben. Durch unsere 12 Stundendienste wachsen wir recht schnell eng mit unseren Klienten zusammen, schließlich müssen wir uns gegenseitig den ganzen Tag ertragen. Mein Haupt-Patient in den letzten 10 Jahren nennt mich einen Adrenalin Junkie, in unserer Firma nannte man unser Team immer die Eventmanager.
Tatsächlich ist und war es mir immer sehr wichtig, soviel Normalität, wie möglich einziehen zu lassen. So fuhren wir zu Fußballspielen des KSC nach Karlsruhe, ins Kino, an den Neckar, nach Mannheim oder Speyer ins Museum, feierten Grillfeste am Rhein, sonnten uns im Park. Ich lernte von einem Klienten, wie man Steaks einlegt, Augenbrauen zupft. Ich pürierte Rindsrouladen, damit man sie mit dem Teelöffel verabreichen konnte oder wickelte Bonbons in eine Mullkompresse, um einer Wachkomapatientin ein herzhaftes Schmatzen und wohliges Lächeln zu entlocken. Das ist mein persönlicher Herzenswunsch, jedem Menschen der mit mir zu tun hat ein Lächeln mit auf den Weg zu schicken.
Was mich stärkt
Zeit mit der Familie zu verbringen. Ausflüge an den See, in den Park, Picknicks am Neckar oder Rhein, gemeinsame Theaterbesuche. Meine Tochter studiert in Berlin, so habe ich nun immer einen Grund die Hauptstadt besuchen zu müssen. Meine Schwester bescherte mir das Glück Tante von 3 Neffen und einer Nichte zu sein. Ich liebe es mit ihnen gemeinsam Abenteuer zu erleben. Doch ich liebe es auch ganz allein schwimmen zu gehen oder einen Tag in der Natur zu verbringen, um den Kopf frei zu bekommen und mich dann am Abend zum Austausch mit Freunden zu treffen. Manchmal überkommt mich ein Hauch von Demut, dass ich die Tränen laufen lasen könnte, doch dann bin ich einfach dankbar über meinen riesigen Schutzengel. Mir ist nur eine halbseitige Gesichtslähmung und zwei Hörgeräte als Erinnerung an diesen Crash geblieben, doch der Schreck sitzt dein Leben lang in den Knochen irgendwie. Und ich wünschte mir immer ein völlig normales Leben, was bleibt ist die Frage: Wieviel anders ist normal?
Wie ich Coaching und Pflege verbinde
Die meisten Pfleger, die ich kenne lieben ihren Beruf mit voller Leidenschaft.
Doch manchmal, vergessen sie während sie dabei sind die Pflegewelt zu retten, weil es noch so viele Versorgungen mit offenen Diensten gibt, sich Selbst zu retten. In ihrer freien Zeit , unerreichbar zu sein für die Arbeit. Sich zu stärken und vom Überlebensmodus in den Erlebensmodus zu kommen. Sie brennen für ihren Beruf und verbrennen daran. Soweit darf es nicht kommen.
Des Weiteren ist mir aufgefallen, bei mir Selbst, aber auch während meiner Arbeit mit behinderten Menschen, dass es manchmal sehr schwierig ist Schmerz und Leid an zu nehmen. Wir machen uns lieber etwas vor und verdrängen die Realität, um uns nicht damit auseinander setzen zu müssen. Wenn man , wie eine Pippi Langstrumpf, alles Unangenehme zur Seite schiebt, muss man sich zwar nicht damit auseinandersetzen, doch es löst sich nicht in Luft auf. Deshalb bin ich glücklich mich mittlerweile zu einer Mary Poppins mit einer riesigen Tasche gefüllt mit meinen Erfahrungsschätzen gewandelt zu haben.
Mit meiner Gedankenkraft als Zauberstab möchte ich Menschen dazu inspirieren ihr Lebenssteuerrad zu übernehmen, um ihren Schmerz in Freude zu verwandeln. Verletzlichkeit ist keine Schwäche, sie ist ein Riss im System, durch den die Magie des Lebens wieder eindringen und die Führung übernehmen kann. Durch das Ansehen meiner Risse wurde ich mir Selbst bewusst . Der Mensch steht im Mittelpunkt und erhält den Schlüssel, um wieder selbst bestimmt, glücklich , erfüllt Freude leben zu können.
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